
Beschäftigungs- bzw. Stillbeschäftigungsverbot
Das Wichtigste in Kürze
Während einer bestehenden Schwangerschaft bzw. der Zeit danach, in der sie ihr Kind stillt (sog. „Stillzeit“) ist die betroffene Arbeitnehmerin besonders schutzwürdig. Den Arbeitgeber treffen in dieser Phase erhebliche Pflichten, welche aus der jedem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht resultieren.
Während der Arbeitgeber bei klassischen Bürotätigkeiten überwiegend auf die Einhaltung der maximalen Arbeitszeiten und Gewährung von Pausen und Ruhemöglichkeiten achten muss, benötigen Frauen in bestimmten Berufen, bei denen für das ungeborene oder zu stillende Kind Gefahren durch den Arbeitsplatz bestehen, weitergehenden Schutz.
Das Stillbeschäftigungsverbot ist eine Maßnahme des Mutterschutzgesetzes. Es ist immer dann auszusprechen, wenn eine sog. „unverantwortbare Gefährdung“ für die schwangere bzw. stillende Frau oder das zu stillende Kind besteht und – auf zweiter Stufe – der Arbeitsplatz nicht umgestaltet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Umgestaltungsmaßnahmen für den Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, d.h. auch wirtschaftlich noch sinnvoll und angemessen.
In der Regel sind die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Stillbeschäftigungsverbots insbesondere bei Angestellten in der Zahn-, Tier- oder Arztpraxis, Pilotinnen und Stewardessen gegeben. Aber auch in diversen weiteren sozialen Berufen, zum Beispiel in Arbeitsverhältnissen mit notwendigen Hausbesuchen ist an das Beschäftigungsverbot zu denken.
All diesen Berufsgruppen sind Tätigkeiten immanent, welche nach dem MuSchG in dieser Zeit ausdrücklich verboten sind, beispielsweise die Arbeit mit Gefahrstoffen, das Ausgesetzt sein von Strahlung oder „Akkordarbeit“ aufgrund von eng getakteten Patienteneinbestellungen, umsatzbeteiligter Arbeit usw.
Bezüglich dieser Tätigkeiten muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen und Abhilfe durch die Umgestaltung des Arbeitsplatzes, einem Teil- oder vollständigen Beschäftigungsverbot schaffen.
Was den Lohnanspruch betrifft, so erhält die werdende bzw. stillende Mutter für die Zeit des Stillbeschäftigungsverbots ihren vollen Mutterschutzlohn – wie auch während des Laufs der Mutterschutzfristen –, d.h. ihr volles Gehalt, inklusive etwaiger Zahlungen auf eine Umsatzbeteiligung und sonstiger Zahlungen, welche Bestandteil des regelmäßigen Arbeitsentgelts sind. Der Arbeitgeber zahlt den Betrag wie reguläres Gehalt an die Arbeitnehmerin aus und regressiert ihn vollständig bei der Krankenkasse im Wege der sog. U2-Umlage gem. AAG.
Sinn und Zweck dessen ist es, dass die Gesundheit von Mutter und Kind nicht aufgrund der Arbeitsbedingungen gefährdet, die Vergütung nicht eingeschränkt wird und die Mutter so entscheiden kann, ihr Kind zu stillen, ohne hierdurch Nachteile im Berufsleben zu erleiden. Auch langfristige oder mittelbare Nachteile muss sie nicht hinnehmen.
Ansprechpartner
Dr. Michael Heintz
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Alexandra König LL.M.
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Julia Johannsmann
Rechtsanwältin
Informationen & Leistungen im Detail
Rechtslage hinsichtlich des Stillbeschäftigungsverbots
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Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Stillbeschäftigungsverbots bzw. der Voraussetzungen bestehen diverse Unsicherheiten und Missverständnisse.
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Zum Teil wird vertreten, dass es das Stillbeschäftigungsverbot aufgrund von Einschätzungen aus Baden-Württemberg (Stichwort „Ad-Hoc Arbeitskreis Stillschutz“) nicht mehr gäbe, oder dieses jedenfalls für maximal 12 Monate ausgesprochen werden könne.
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Dies ist falsch. Die medizinischen und rechtlichen Gegebenheiten ändern sich an den Landesgrenzen nicht. Diverse Gerichtsentscheidungen und unter anderem die Vorgaben der Bundeszahnärztekammer und der meisten Landeszahnärztekammern vertreten diesbezüglich eine andere Meinung. Wir halten uns hier ständig auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen und kommen so im Einklang mit dem Gesetzestext zu der Ansicht, das Stillbeschäftigungsverbot immer dann ausgesprochen werden muss, wenn das Arbeitsumfeld bzw. die Bedingungen nicht derart geändert werden können, dass die Gefährdung auf ein zumutbares Maß reduziert wird, ohne dass der Kern der eigentlichen Tätigkeit im Wesentlichen geändert wird. Dabei muss die Entscheidung über die Dauer des Stillens immer allein bei der Arbeitnehmerin bleiben. Zudem muss eine etwaige Umgestaltung für den Arbeitgeber wirtschaftlich angemessen sein und schützt schlussendlich auch den Arbeitgeber.
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So kann eine Pilotin zum einen aufgrund der erheblichen UV-Strahlung, welchen sie bei Flügen ausgesetzt wird, nicht weiter als solche beschäftigt werden. Zum anderen müsste ihr Säugling dauerhaft im Flugzeug anwesend sein, was für diesen ebenfalls schädlich wäre. Die Pilotin müsste sich also entscheiden, ob sie ihr Kind stillt und damit in Elternzeit gehen müsste, um diese Entscheidung auch vollziehen zu können oder sie müsste eine anderweitige Stelle annehmen, welche jedoch nicht ihrer Qualifikation als Pilotin entspricht. In jedem Fall würde sie aufgrund ihrer Stillentscheidung benachteiligt werden gegenüber männlichen Kollegen: das Stillbeschäftigungsverbot muss in diesem Fall also ausgesprochen werden.
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Ähnliches gilt für ärztliches Personal: Die Haupttätigkeit einer Zahnärztin ist die Durchführung von Arbeiten am Patienten. Hierbei werden überwiegend spitze und scharfe Instrumente benutzt, an welchen potentielle Schnitt- oder Stichgefahr besteht. Bei den Patientenbehandlungen kommt die Zahnärztin oftmals in Kontakt mit Blut des Patienten, seien es noch so kleine Mengen. Hat der Patient bekannter- oder unbekannterweise beispielsweise HIV, kann sich die Zahnärztin infizieren. Bei einer Infektion müsste sofort abgestillt werden, was die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin bezüglich des Stillens unzulässig einschränkt. Würde die Zahnärztin anderweitig, beispielsweise an der Rezeption eingesetzt werden, wäre sie nicht entsprechend ihres Berufsbildes eingesetzt. Auch hier gilt nach unserem Dafürhalten also: das Stillbeschäftigungsverbot ist auszusprechen.
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Diese Grundsätze können auch auf diverse andere Berufsgruppen übertragen werden.
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Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach, kann dies je nach konkreter Ausgestaltung des Falles arbeitsrechtliche Folgen haben. Dem Arbeitgeber kann bei Verstoß außerdem ein Bußgeld auferlegt werden.
Erstattung durch die Krankenkasse
Häufig möchte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot aussprechen, hat aber Bedenken, dass er keine Erstattung der zuständigen Krankenkasse erhält.
In keinem unserer Fälle haben wir dies bislang erlebt: Liegt eine ordnungs- und wahrheitsgemäße Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz der Mitarbeiterin vor und wird die Maßnahme des Stillbeschäftigungsverbots nicht missbraucht, ist eine Verweigerung der Krankenkasse oder Rückforderung bereits gezahlter Beträge nahezu ausgeschlossen. Manche Krankenkassen erklären sich sogar bereit, eine Bestätigung für die Übernahme der Aufwendungen vorab auszustellen, unter der Prämisse einer ordnungsgemäßen Gefährdungsbeurteilung sowie der Vorlage von regelmäßigen Stillbescheinigungen.
Auch beim Erstellen einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung beraten und unterstützen wir gerne.
Unsere Erfolge
Wir verfügen über eine mehrjährige, breit gefächerte Erfahrung sowohl in der außergerichtlichen Interessenvertretung als auch in der Prozessführung betreffend die Betreuung von schwangeren und stillenden Frauen bzw. bezüglich des Beschäftigungs- und Stillbeschäftigungsverbots im Speziellen. Allein in den letzten zwei Jahren haben wir über 20 gerichtliche Verfahren geführt und insgesamt über 60 zufriedene Mandantinnen und Praxen beraten und vertreten. Selbst bei streitigen Verfahren konnten wir 30 Vergleiche im Sinne unserer Mandantinnen schließen und die Angelegenheiten schlussendlich doch einem guten Ende für beide Parteien zuführen. In bundesweit vier einstweiligen Verfügungsverfahren konnten wir erreichen, dass den Arbeitgebern vorläufig untersagt wurde, stillende Zahnärztinnen weiter zu beschäftigen.
Wir möchten betonen, dass die meisten Fälle dieser Art – etwa 80 % – durch einen Vergleich beendet werden können, mit dem beide Parteien zufrieden sind. Das Ausfechten eines Konfliktes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis zu einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung kann, muss aber nicht immer das Ziel sein. Als unser Mandant – egal ob Arbeitnehmerin oder Arbeitgeber – sind Sie Herr(in) des Verfahrens und entscheiden nach ausführlicher Beratung selbst über das von Ihnen gewünschte Vorgehen.
So kann auch das Führen eines einstweiligen Verfügungsverfahren, also eines Eilverfahrens, wenn Zeitdruck besteht, häufig bereits erfolgsversprechend sein. Nicht selten kann ein Verfahren so innerhalb weniger Wochen abgeschlossen werden und forciert dann oft eine zügige Gesamteinigung. Beispielsweise haben die Arbeitsgerichte Hamburg und Berlin in solchen Fällen bereits ohne mündliche Verhandlung zeitnah eine Entscheidung zu Gunsten stillender Frauen getroffen.
Wir führen Rechtsstreite und Gerichtsverfahren bundesweit und können entsprechend auch bundesweit entsprechende Erfolge verzeichnen. Wir haben bereits diverse positive Gerichtsentscheidungen bundesweit erwirkt und konnten uns so eine entsprechende Expertise aufbauen.
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